Menschen, Objekte und Geschichte im Dialog
An der Steinberggasse 52 konnten wir unser neustes Kunst-und-Bau-Projekt einweihen. Das mehrteilige Werk von Claudia Kübler schafft einen speziellen Bezug zur Sammlung der SKKG.

«Chumm doch ine» – ein alltäglicher Satz mit viel Wirkung: Statt uns unpersönlich zwischen Tür und Angel zu unterhalten, lade ich dich in meinen eigenen Raum und zu einem Dialog ein. «Magsch en Tee?»
Die Einladung zum Austausch steht bei «Chumm doch ine» im Zentrum. Das neuste Kunst-und-Bau-Projekt im Terresta-Portfolio setzt Menschen, Objekte und Geschichte in einen lebendigen Dialog zueinander.
Gesucht: immaterielles Kulturerbe
Die Liegenschaft an der Steinberggasse 52 gehört zu den markantesten Gebäuden in der Winterthurer Altstadt. Sie wurde von Bruno Stefanini 1997 erworben und von ihm selbst genutzt: als privates Büro, Zuhause und vor allem auch als Sammlungslager. Rund 20 Prozent der Sammlung befand sich bis zu seinem Tod 2018 an der Steinberggasse. Bis 2022 wurden die Objekte inventarisiert, von 2022 bis 2024 wurde die Liegenschaft eingehend renoviert.
Mit «Kunst und Bau» machen die SKKG und Terresta die Verbindung zwischen Kultur und Immobilien sicht- und erlebbar. Dass dies im Falle der Steinberggasse 52 mit Bezug zur Sammlung geschehen soll, lag aufgrund der Geschichte des Hauses auf der Hand. Die Aufgabe, welche die Jury den Kunstschaffenden stellte, ging aber darüber hinaus: Gesucht wurde ein Konzept, das mit Bezug auf die Sammlungsobjekte immaterielles Kulturerbe für die Steinberggasse 52 erschafft. Immaterielles Kulturerbe umfasst Traditionen, Bräuche, Ausdrucksformen, soziale Praktiken. Aus Sicht der Bewohner:innen geht es hier also um Austausch und Partizipation.
Vier Kunstschaffende wurden zur Teilnahme am Wettbewerb eingeladen. Die Jury entschied sich für Claudia Küblers Vorschlag. Das aus mehreren Teilen bestehende Projekt beleuchtet einerseits wichtige Fragen zum Thema Sammeln und Zusammenleben, integriert aber gleichzeitig die Etablierung von Ritualen und Austausch.

Die um diverse Fächer erweiterte Briefkastenanlage an der Steinberggasse 52.
Austausch auf mehreren Ebenen
Die materielle Plattform des Kunstwerks von Claudia Kübler ist die Briefkastenanlage. Die funktionale Einrichtung, die schon in ihrer üblichen Form ein Begegnungsort in vielen Treppenhäusern ist, wurde für die Steinberggasse 52 weitergedacht. Neben den Briefkästen der Bewohner:innen verfügt die Anlage über diverse Fächer und Schaukästen. Zum einen kuratiert ein Team der SKKG jährlich eine Auswahl von Objekten aus ihrer Sammlung, die sie in abschliessbare Schaukästen stellt. Zum anderen sind mit weiteren abschliessbaren Fächern die Bewohner:innen eingeladen, die Ausstellung mit eigenen Gegenständen zu ergänzen und Sammlungs- und Alltagsobjekte in einen Dialog zu bringen. Zudem verfügt die Anlage auch über offene Teile, in denen Objektaustausch stattfinden kann: weiterzugebende Ferienlektüre, übriggebliebenes Brot vom letzten Fondueabend oder ein im Treppenhaus gefundener Handschuh finden hier eine Mitnahmestelle.
In der Anlage befindet sich auch ein Briefkasten für den «Hausgeist»: Hier können die Bewohner:innen Anregungen und Wünsche an die Hausgemeinschaft adressieren oder Eindrücke und Geschichten zur aktuellen Ausstellung hinterlassen.
Chömemer doch zeme!
Das wohl zentralste Element von Claudia Küblers Werk ist der Hausapéro, an dem die Bewohner:innen einmal im Jahr zusammenkommen. Hier wird das Thema bestimmt, welches dem SKKG-Team für die nächste «Jahresausstellung» mitgegeben wird. Zudem wird der Briefkasten des Hausgeistes geleert und die Post gesichtet. Und nicht zuletzt: kennenlernen, plaudern, diskutieren.

Welche Objekte von den Bewohner:innen stammen und welche aus der Sammlung sind, lässt sich ohne Mitwissen nicht immer sagen.

Der letzte Teil des Werks ist nur selten zu erhaschen: eine Lichtinstallation im Treppenhaus beleuchtet nachts die Wände mit Lichtkegeln, sofern sich niemand im Treppenhaus befindet. Während die Briefkastenanlage Bezug auf die jüngere Geschichte des Hauses und die Sammlung nimmt, sucht der so manifestierte Hausgeist nach neuen Schätzen – und stellt die Frage, ob und wann eine Sammlung je vollständig sein kann.
Angaben zum Werk:
Claudia Kübler
Chumm doch ine
Ritual, Metallregal, Wechselausstellung, Briefkasten inkl. Beschriftung, Metallkiste, Poster, Lichtinstallation
2024/2025
Fotos
Nelly Rodriguez
Text
Silvan Staub