31.01.2023

«Wir wollen die Identität der Altstadt bewahren»

Die Winterthurer Altstadt ist ein Juwel. Der mittelalterliche Stadtkern ist nicht nur von kantonaler Bedeutung, sondern auch im Bundesinventar der schützenswerten Ortbilder der Schweiz mit dem höchsten Schutzziel verzeichnet. Gleichzeitig ist er ein quirliges, intensiv genutztes Wohn- und Gewerbezentrum, ein beliebter Begegnungsort für die Menschen der ganzen Region. Und so soll es auch bleiben. Deshalb hat Terresta vor rund zehn Jahren mit der Sanierung ihrer teilweise sehr baufälligen Altbauliegenschaften begonnen. Inzwischen sind 22 der insgesamt 52 Liegenschaften renoviert. Zuletzt erstrahlten das Ensemble Steinberggasse 19 und 21 und das Handwerkerhaus an der Obergasse 6 aus dem späten 17. Jahrhundert in neuem Glanz. Zeit für ein Zwischenfazit. Wie wurde das ambitionierte Ziel erreicht, nicht nach rein wirtschaftlichen, sondern auch nach denkmalpflegerischen, ökologischen und sozialverträglichen Kriterien zu sanieren? Und was sind die Ziele für die weiteren Renovationen?

Besonders schützenswerte Häuser
«Viele Liegenschaften der Terresta liegen an prominentester Lage und enthalten noch mehrheitlich wertvolle historische Bausubstanz, damit tragen sie einen besonders hohen Zeugniswert», sagt Konstanze Domhardt, leitende Denkmalpflegerin der Stadt Winterthur. Terresta ist sich dieser Verantwortung bewusst. «Wir wollen die Identität der Altstadt bewahren, und fühlen uns zum sorgfältigen Umgang mit den baulichen Zeitzeugen verpflichtet», sagt Claudia Suter, Bereichsleiterin Entwicklung und Bau. Um dies zu untermauern, wurde 2019 eine enge Zusammenarbeit mit der Denkmalpflege vereinbart. «Dieser Austausch ist vorbildlich und sorgt für eine Professionalisierung der Sanierungen, wie wir sie uns wünschen», erklärt Konstanze Domhardt.

Frisch renovierter Dachstock an der Obergasse 6.


Mit Liebe zum Detail
Bei den Renovationen versucht Terresta, auf die bewegte Geschichte jedes einzelnen Hauses Rücksicht zu nehmen und dessen Charme neu zu beleben. Dies erfordert grosses Wissen über historische Bauweisen und Baustoffe und die Rücksichtnahme auf bestehende Strukturen. Um die überlieferten Fassaden, Holzböden oder Balken zu erhalten, bemühen sich die internen Spezialist:innen und beigezogene Handwerker:innen um angemessene Lösungen mit viel Liebe zum Detail. «Die Idee ist, dass die Sanierungen zukünftig auch als eine Referenz für weitere Projekte in der Altstadt verstanden werden können», sagt Konstanze Domhardt, «mit ihrer auf einen sorgfältigen Umgang mit dem Bestand ausgerichteten Haltung trägt Terresta wesentlich zum Erhalt unseres Kulturerbes bei.»

Diese Häuser werden aktuell saniert. Hinter der Fassadenfarbe rechts wurde eine historische Graumalerei entdeckt.


Sensationsfund an der Aussenfassade
Und manchmal werden bei den Bauarbeiten sogar wahre historische Schätze entdeckt. So wie kürzlich an der Steinberggasse 41. Als man dort die äussersten Schichten der Fassade abtrug, kam eine Grisaille-Malerei (Graumalerei) aus dem frühen 18. Jahrhundert zum Vorschein. «Das war eine absolute Überraschung, wir wussten nicht, dass ein solches Beispiel in Winterthur existiert», so Domhardt. Und Claudia Suter sagt: «Im Sinne der SKKG suchen wir nach Möglichkeiten, das Kulturerbe nicht nur zu erhalten, sondern auch zu vermitteln».

Nachhaltiger Wohnraum
Zur grossen Kunst von Altstadt-Sanierungen gehört es, den Denkmal- und Umweltschutz optimal unter einen Hut zu bekommen. «Wir machen, was immer möglich ist», sagt Claudia Suter. Holzöfen würden durch Zentralheizungen mit Fernwärme ersetzt, renovierte Fenster und gedämmte Dachböden sorgten für bessere Isolierung und wo immer möglich, würden langlebige, nachhaltige Materialien berücksichtigt. «So gelingt uns ein substanzieller Beitrag zur Verbesserung der Ökobilanz der alten Häuser und zur Schaffung von mehr nachhaltigen Wohnraum».

Viel Handarbeit von den Malerinnen und Malern des eigenen Gebäudeservice.


Preisgünstige Mieten
Im Gegensatz zu vielen Investoren und privaten Immobilienbesitzern nutzt Terresta die Altstadtsanierungen nicht zur Umwandlung in Eigentumswohnungen. Und trotz der Investitionen entstehen hier keine Luxuswohnungen. Stattdessen lautet die Maxime: «So wenig wie nötig, so sanft wie möglich». Dank dieser Haltung liegen die Mieten auch nach den Sanierungen um einiges unter dem Vergleichsniveau und bleiben somit auch für Menschen mit kleinem Portemonnaie bezahlbar. «Wir wollen die Diversität in der Altstadt aufrechterhalten, bei Gewerbe und Bewohnerschaft», sagt Claudia Suter, «unser Ziel ist, dass möglichst alle bleiben können.»

75 Prozent der Bewohnerschaft bleibt
Und dafür setzt sich die Terresta auch aktiv ein. Die Kündigungen infolge der Sanierungen werden den Mietern transparent und so früh wie möglich angekündigt, die Kündigungsfristen betragen mindestens zwölf Monate. Zudem erhalten alle Mieterinnen und Mieter das Angebot für einen neuen Mietvertrag - und für die Zeit der Renovation bietet ihnen Terresta eine temporäre Zwischenlösung in einer anderen Immobilie aus ihrem Portfolio an. Mit grossem Erfolg: Drei von vier Bewohnerinnen und Bewohnern nutzen das Angebot und kehren nach der Sanierung in ihre alte Wohnung zurück.

«Angenehm überrascht»
Einer davon ist Daniel P.: «Ich fühlte mich von Anfang gut informiert und ernst genommen», sagt der Bewohner der Obergasse 6, die im Herbst 2022 während drei Monaten renoviert wurde. «Die Verwaltung kam persönlich vorbei, um die Kündigungsmodalitäten zu besprechen. Dabei erhielt ich nicht nur das Angebot, nach dem Umbau wieder einzuziehen, ich konnte sogar Wünsche anbringen». 

Helle statt dunkle Holzbalken, eine Dusche statt Badewanne, ein grösserer Kühlschrank mit separatem Kühlfach, mehr Stauraum in der Küche – alles sei erfüllt worden. Dazu sei der Klötzliparkett durch einen geölten Eichenparkett ersetzt worden. «Die Wohnung wurde richtig geschmackvoll renoviert und ist jetzt viel heller als vorher», sagt Daniel P.. Und auch vom neuen Mietzins zeigt er sich angenehm überrascht: Seine Miete stieg zwar, der Anstieg fiel jedoch tiefer aus als angekündigt.

Charme mit schrägen Böden und Decken: Frisch saniertes Zimmer in der Steinberggasse.


Zwei Sanierungen pro Jahr
Möglichst sanft, nachhaltig und sozialverträglich Sanieren – an dieser bewährten Strategie möchte Terresta auch in der zweiten Sanierungsetappe festhalten. «Dabei profitieren wir vom erworbenen Knowhow», ist Claudia Suter überzeugt. «Wir haben gelernt, dass es keine Standardlösungen gibt, man muss sich auf jedes Haus einlassen. Und wir können uns auf unser routiniertes Team und die eingespielte Zusammenarbeit mit dem Denkmalschutz stützen.»

Innovative Wohnformen
Läuft alles nach Plan, werden künftig jedes Jahr zwei weitere Häuser renoviert und bis spätestens 2034 sollten sämtliche Altstadtliegenschaften saniert sein. Zurzeit wird mit Hochdruck am Bühlhof gearbeitet, dem markanten Wohn- und Geschäftshaus an der Steinberggasse 52. Dort entsteht unter anderem auch eine 7-Zimmer-Cluster-Wohnung für ein gemeinschaftliches Zusammenleben auf über 300 m². Denn auch das ist ein Ziel der Terresta: In den historischen Gemäuern sollen innovative Wohnformen realisiert werden – damit die Winterthurer Altstadt für das Wohnen der Zukunft gerüstet ist.


Text: Michael Krobath, Fotos: Goran Potkonjak, Terresta